Professionelles Arbeitsgerät zum fairen Preis: Sonntag »
J17H Allegria«
Von Wolfgang NiemannSeit 1993 baut Stefan Sonntag Archtopgitarren, die seinen Namen auf der Kopfplatte tragen. Er hat sich mit seinen Instrumenten auch international einen Namen als exzellenter Gitarrenbauer erworben. Immer seinem für sich selbst formulierten Anspruch an Qualität und Design gerecht werdend, hat sich seine Angebotspalette über die Jahre stetig erweitert, so dass wohl jeder Archtop-Enthusiast in der kleinen Manufaktur vor den Toren Augsburgs den Traum eines auf ihn abgestimmten Instrumentes verwirklichen lassen kann. Mit der auf der diesjährigen Frankfurter Musikmesse vorgestellten »J17H Allegria« rundet Stefan Sonntag seine Angebotspalette nach unten hin ab und bietet zu einem moderaten Preis eine professionelle Archtopgitarre an.
Konzept und Konstruktion
Das wohl wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Allegria zu den anderen Gitarren von Sonntag, ist die Verwendung von laminierten Hölzern für Zargen und Boden. Dies bedeutet, dass die Wölbung des Boden nicht wie sonst üblich mit der Hand aus den vollem Holz gearbeitet wird, sondern mehre dünnere, miteinander verleimte Furniere meist mittels Dampf und hohen Druck in die gewünschte Form gebracht werden. Gerade bei Archtopgitarren, deren konstruktive Ausrichtung deutlich auf eine unkomplizierte, elektrische Verstärkung abzielt eine gebräuchliche und legitime Bauweise.
Aber auch bei dieser Konstruktion zeigt sich der Qualitätsanspruch von Stefan Sonntag: Der Boden weist als Deckfurnier zwei spiegelbildlich verleimte Ahornstücke mit lebhafter Maserung auf. In der optischen Wirkung stehen auch die Zargen nicht zurück; auch hier erfreut feinstes Riegelahorn als Deckfurnier das Auge. Massive Fichte findet sich bei der Decke, deren zwei Teile bookmatched (spiegelbildlich) miteinander verleimt sind und deren gleichmäßige, ausgeprägte Wölbung in traditioneller Weise von Hand ausgearbeitet wurde.
Bei einer näheren Betrachtung der Deckenkonstruktion findet sich dann auch die Annahme bestätigt, dass die Allegria deutlich in Richtung »Electric Archtop« zielt. In der Mittelachse (9 mm) und zu den F-Löchern (5 mm) hin weist sie stets ein gesundes Dickenmaß auf, das die Decke in Verbindung mit ihrem Parallel-Bracing (inkl.einer Querleiste hinter dem Pickup) relativ unempfindlich gegen unerwünschtes Aufschwingen bei hohen Lautstärken sein läßt.
Als Material für den Hals wählte Stefan Sonntag für sein neuestes Model Cedro, ein Holz, das häufig bei Klassik- und Flamencogitarren verwendet wird. Nahezu einteilig zugeschnitten, sind nur Halsfuß und die Verlängerung unter dem Griffbrett (fretboard-extension) sauber angesetzt. Im Gegensatz zu rein acousticen Archtopgitarren schwebt bei der Allegria der letzte Teil des Griffbretts nicht über der Decke; es findet sich lediglich eine leichte Abschrägung am letzten Bund. Auf den Hals wurde ein kräftiges, dichtes Ebenholzgriffbrett aufgeleimt, das keinerlei Griffbrettmarkierungen aufweist. Zur Orientierung wurden in die Griffbrettkante an den üblichen Stellen kleine Punkte eingelassen. Das nur leicht gewölbte Griffbrett ist mit 20 Bundstäbchen (Jumbo) bestückt, die überaus penibel eingesetzt und perfekt abgerichtet wurde. Absolut makellose Arbeit!
Ebenfalls ohne Binding (Einfassung) und in schlichtem, edlen Black präsentiert sich die mit einem Ebenholzfurnier belegte Kopfplatte, auf der gekapselte und dauergeschmierte Schaller »Vintage« Einzelmechaniken montiert sind. Die »ab Werk« aufgezogenen 13er Saiten (Thomastik Swing 013) laufen von dort über den sorgsam eingepassten Sattel und einen zweiteiligen Ebenholzsteg zum schlichten, klappbaren Saitenhalter, der mit drei kleinen Schrauben an der unteren Zarge befestigt wurde. Um die empfindlichen Korpuskanten zu schützen, sind Ober- und Unterseite mit einem ABS Kunststoffstreifen eingebunden; lediglich die Decke weist ein dreilagiges Binding auf. Ohne eine weitere Farbbehandlung wurden die Hölzer mit einer klaren Polyesterlackierung abschließend versiegelt.
Elektrik
Die elektrische Bestückung der Allegria setzt das Thema »Schlicht und Fein« fort. In der Halsposition findet sich ein in die Decke eingelassener und mit einem Rähmchen montierter Humbucker (doppelspuliger Magnettonabnehmer) von Kent Armstrong. Das Model »PAF«, das sich zwar im Grundklang an Gibsons Original orientiert, optisch und technisch aber mit individueller Charakteristik höchst eigenständig auftritt. Das von der schwingenden Saite abgenommene bzw. umgewandelte Signal durchläuft einen Lautstärke- und Tonregler, die griffgünstig im unteren Deckenbereich montiert sind und zur Bedienung schlichte, mehreckige Potiknöpfe aufweisen, wie sie oft auf alten Archtopgitarren der 1940iger Jahre zu finden sind. Seinen Anschluss findet der Verstärker schließlich an der seitlich in der unteren Zarge montierten Klinkenbuchse. Eine Plazierung, die in Bezug auf die Haltbarkeit (Bruchgefahr) bei einer laminierten Zarge unbedenklich ist und auch acoustic keinen Schaden anrichtet.
Praxis
Wer den Umgang mit 17"-Archtopgitarren gewohnt ist, den wird die Allegria vor keinerlei Schwierigkeiten stellen. Zumal dieses Korpusmaß mittlerweile als Standard definiert ist. Aber auch den Novizen erfreut diese Gitarre mit ausgeprägten Wölbungen und einer moderaten Zargenhöhe von 8,2 cm, die das Handling ausgesprochen komfortabel gestalten. Der schlank geschnittene Hals tut seinen Teil dazu. Mit einer nur leichter Kopflastigkeit, die beim ersten Armkontakt zum Korpus verschwunden ist, liegt er mit seinem flachen D-Profil ausgewogen in der Hand und lässt so ziemlich alles zu, was einem in den Sinn kommt. Müheloses und ausdauerndes Spiel wird von einem perfekten Griffbrett unterstützt, das den Fingern keinerlei Grenzen setzt und mit einer Mühelosigkeit immer wieder zum Spielen einlädt.
Durch die über die gesamte Saitenlänge ausgewogenen Saitenlage und gleichmäßigem Anstieg des Halsprofils hat der Gitarrist in allen Lagen ein ausgesprochen homogenes Spielgefühl. Komplexes Akkordspiel, straffe Rhythmik a la Freddie Green oder flinke single-note-runs; das Limit setzt die Technik, nicht das Instrument! Der »Wohlfühlfaktor« wird verstärkt durch den rund geschnittenen Cutaway, der das Erreichen der oberen Lagen erleichtert. Gut; ein bißchen muss man sich schon strecken …
Der acoustice Klang lässt sich am besten mit »gedämpft perkussiv« beschreiben. Die Mitten und Höhen sind ausgesprochen klar und rein; wenn auch das Volumen etwas bedämpft ist. Die E- und A-Saite lassen bei sehr leichtem Anschlag etwas an Tiefe und Kontur vermissen. Hier merkt man schon die dickere Ausarbeitung der Decke und den laminierten Boden. Mit dieser Charakteristik einmal vertraut, lässt sich diese Eigenart bei Bedarf mit einem festeren Anschlag ausgleichen. Vorteilhaft kann man dieses Anschlagverhalten aber bei Rhythmusarbeit mit three-note-voicings im Stil von Freddie Green nutzen. Wer die acoustice Komponente im Gesamtklang betonen möchte, sollte dann aber dicke Saiten gerade für den Baßbereich verwenden, am besten Roundwounds.
An den Verstärker angeschlossen, zeigt sich aber die eigentliche Bestimmung der Allegria! Warm, ausgewogen und überaus akzentuiert klingt es aus dem Amp. Die acoustice »Gedämpfheit« ist wie weggewischt; die rein acoustic gespielt zuvor empfundene »Neutralität« wechselt in einen frischen, warmen Gesamtklang über, der eine gute Basis zur Einstellung seiner persönlichen Klangvorstellung bietet. Auch im Sustainverhalten lässt die Allegria nichts vermissen. Gerade die Mitten und Höhen kommen richtig dick und druckvoll; auch in den oberen Lagen. Auch ein Verdienst der dick ausgearbeiteten Decke, die eine solche Charakteristik begünstigt. Eine gute Wahl ist der Armstrong-PAF, der mit bestechend schlichter Optik, authentischem Ton und hervorragenden Möglichkeiten (pro Saite zwei Einstellschrauben) zur Anpassung auf den gewählten Saitentyp überzeugt. Angenehm seine Eigenart einen festen Anschlag nicht direkt mit einer Übersteuerung des Verstärkers (entsprechende Einstellung vorausgesetzt) zu quittieren, sondern den Ton mit einer »warmen Süße« zu komprimieren. In einem gewissen Maß lässt sich mit der Einstellung der Gesamthöhe des Pickups auch der Klangcharakter bzw. die acoustice Komponente zu einem gewissen Grad beeinflussen. Anschlagsdynamik und -position werden direkt übertragen und charakterisieren die Allegria als absolut ehrliches Werkzeug, das musikalische Empfinden des Musikers umzusetzen.
Fazit
Stefan Sonntags Allegria ist eine willkommene Abrundung seiner Modelpalette nach unten. Gemessen an der gebotenen Qualität in Ton und handwerklicher Umsetzung bekommt der Gitarrist für einen fairen Preis ein professionelles Arbeitsgerät in die Hand, das zugunsten der Preisgestaltung auf optische Ausstattungsmerkmale verzichtet. Jedes Instrument wird individuell als Kundenauftrag gebaut, so dass die Abstimmung auf persönliche Wünsche unproblematisch ist. Auch eine optische oder tonliche Aufrüstung (Nitro-Finishing, Holzbinding, 7-saitig) ist gegen Aufpreis möglich. Mit of this guitar bietet Stefan Sonntag ein schlüssiges Gesamtkonzept mit konsequenter Ausrichtung auf den elektrischen Charakter der Archtopgitarre an. Wer hier seinen Schwerpunkt setzt und auf optische Ausstattung wenig Wert legt, der kann beruhigt zur Allegria greifen. Die Basis stimmt!