Bei der Anschaffung einer Archtop Jazzgitarre taucht bei meinen Kunden immer wieder die Frage auf: Es gibt doch Parallelbebalkung und Kreuzbebalkung der Gitarrendecke. Was ist das, was sind die Unterschiede?
Geschichte
Um dises Mysterium zu erklären, muß man vorher einen Ausflug in die Geschichte der Jazzgitarre machen: Erfunden und konzipiert wurde die Archtop Jazzgitarre von Orville Gibson bzw. seinem Gitarrenbauer Lloyd A. Loar.
Die ersten Archtops waren Gibson Gitarren der Modellreihe L-1 bis L-4, gebaut zwischen Jahrhundertwende und ca. 1930, mit rundem bzw. ovalem Schalloch und geschnitzter, gewölbter Decke. Die Decke mußte gegen den Saitenzug verstärkt werden und dazu wählte Orville Gibson ein System aus zwei Balken. Diese mußten paralell zum Saitenzug angeordnet werden um diesen aufzufangen. Aber da vor dem Steg am Griffbrettende das Schalloch in die Decke geschnitten war, war die sinnvollste Anordnung der Balken ein Kreuz, um die Decke bis zu dem Punkt abzustützen wo die Wölbung ins Flache ausläuft.
Als dann 1924 Lloyd Loar das neue Archtopmodell L5 in den Markt einführte, ergab sich durch eine Neuanordnung der Schallöcher, die jetzt in Form von Geigen-F-Löchern seitlich des Steges angebracht waren, eine neue Möglichkeit der Balkenanordung. Nun konnten, da am Griffbrettende kein Loch mehr war, die Balken parallel bis fast zum Halsblock geführt werden.
Anfänglich verwendete Gibson beide Bebalkungssysteme. Aber ab ca. 1940 begann die Firma der Parallelbebalkung den Vorzug zu geben und kurz nach Kriegsende wurden ausschließlich parallel bebalkte Decken gebaut.
Schließlich gab es noch eine Firma, die ein drittes System verwendete: Stromberg. Dieser Hersteller baute Gitarren, die nur einen Balken auf der Innenseite der Decke hatten. Dieser war schräg positioniert.
Im Lauf der Gitarrenbaugeschichte wurden allerdings dem Parallel- und dem Kreuz-System der Vorzug gegeben. Andere Hersteller wie John D‘Angelico oder Epiphone verwendeten immer beide Systeme. D‘Angelico z.B. baute nach Auftrag und nach Klangvorstellung des Kunden.
Und damit sind wir jetzt beim Thema: Welche Klangunterschiede ergeben sich durch die beiden unterschiedlichen Bebalkungssysteme?
Klangunterschiede
Im Grunde ist es schnell erklärt: Aufgrund meiner Erfahrung ergibt sich bei einer Parallelbebalkung ein hellerer, feinerer Klang, während eine Kreuzbebalkung eher trockener, vielleicht auch etwas dunkler klingt.
Diese Unterschiede ergeben sich dadurch, daß die Decke durch die parallelen Balken in Zugrichtung der Saiten mehr versteift wird. Während die Decke bei einer Kreuzbebalkung, und zwar je weiter man den Winkel des Kreuzes öffnet, immer weicher wird.
Also haben wir die Faustregel: Je steifer die Decke ist, umso heller wird der Klang. Aber das ist, wohlgemerkt, nur eine Faustregel. Denn es kommen beim Bauen noch viele Faktoren dazu, die Einfluss auf den Klang nehmen und die der Gitarrenbauer berücksichtigen muß.