Jazzgitarren-Kurs 2007 in Aigueze, Südfrankreich mit Bucky Pizzarelli
und Ulrich Hoffmeier:
Six Nations – Une Passion
»Six nations – une Passion«, so lautete die Überschrift auf dem Plakat, das das Abschlußkonzert des Jazzgitarren-Kurses 2007 in der Dorfkirche von Aigueze am Fuße der Cevennen ankündigte.
Internationale Teilnehmerschar
Waren die bisherigen Kurse relativ einheitlich mit deutschsprachigen Teilnehmern besetzt, so kann der diesjährige mit Fug und Recht als „international“ bezeichnet werden. Der dritte Kurs in Südfrankreich setzte sich zusammen mit Teilnehmern aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien, England und Norwegen.
Ein Grund dafür dürfte die Verpflichtung von Bucky Pizzarelli gewesen sein. Mit ihm als einem der beiden Dozenten war ein hochkarätiger Gitarrist und eine Jazzgitarrenlegende aus der allerhöchsten Spielklasse gewonnen worden, den man sich für ein Ereignis wie dieses nur wünschen kann. Auch wenn man Bucky nicht mehr zur Jugendklasse zählen würde, war er doch so fit und agil wie nur jemand aus derselben. Vor allem wenn er eine Gitarre in der Hand hielt, legte er eine Begeisterung und Spielfreude an den Tag, die ihresgleichen suchen. Man hatte manchmal den Eindruck, Bucky Pizzarelli sitzt mit Gitarre bequemer als ohne. Bei einem Spieler, der die Anfänge des Jazz miterlebt und gestaltet hat, war es für alle Teilnehmer des Kurses ein großes Erlebnis, an seinem Erfahrungsschatz und „gewußt wie“ teilhaben zu dürfen. Bucky gestaltete seinen Unterricht zwar relativ frei, aber dank seiner ungezählten Jahre „on-the-road“ kam sein Unterrichtsinhalt direkt aus der Praxis.
Internationale Verständigung
Uli Hoffmeier bot das Kontrastprogramm. Mit Grundlagen zum Walkingbass- und Rhythmus-Spiel vertiefte er die Fähigkeiten der Teilnehmer für das Begleiten. Dies ist seine Spezialität, die er in den vielen Jahren, die er mit dem „Palastorchester mit seinem Sänger Max Raabe“ unterwegs ist, vervollkommnen konnte. In seiner fröhlichen und humorvollen Art leistete er einen Kraftakt und jonglierte zwischen den drei Sprachen französisch, deutsch und englisch virtuos hin und her. Zur Erheiterung der Kursteilnehmer kam es zwar im Eifer des Gefechts hin und wieder zu drolligen Vermischungen, aber das tat der Qualität seiner Instruktionen keinen Abbruch. So war die Grundlage geschaffen für eine Woche voll mit Musik und guter Stimmung. Ein großer Teil der Teilnehmer sind „Wiederholungstäter“ und waren schon bei den Kursen in 2005 und 2006 dabei. Deshalb ist die Ein-und Aneinander- Gewöhnungsphase kurz und im Nu entstand die inzwischen berühmte lockere „Südfrankreich“-Atmosphäre.
Mittelalterliches Ambiente
Dazu beigetragen hat mit Sicherheit auch das außergewöhnliche Ambiente des Hotels Residence „Le Castelas“ wo der Kurs residierte (zur Erinnerung: leider mußte man das bewährte Domizil der Vorjahre, die Abbeye St. Michel de Frigolet bei Avignon, wegen Unstimmigkeiten mit dem Hotelmanagement verlassen). „Le Castelas“ befindet sich, wie der Name schon vermuten läßt, in einer ehemaligen mittelalterlichen Burg. Das ganze Gebäude ist liebevoll renoviert und jedes Zimmer bzw. Appartement wurde individuell ausgestaltet und möbliert. Die Anlage macht einen so pittoresken Eindruck, daß man glauben möchte, jeden Moment biegt der Ritter Hadubrand um eine der unzähligen Ecken oder Vorsprünge des Gemäuers.
Eingebettet in ein nahezu komplett erhaltenes, winziges mittelalterliches Dorf, klebt das Hotel auf der Kante einer Klippe hoch über dem Fluß Ardéche am Ausgang der Gorge de l‘Ardèche. Krönung des Hotels ist der lauschige Innenhof um den sich die Zimmertrakte scharen mit dem türkisblauen Pool in der Mitte. Diese Situation lud geradezu ein, nach dem täglichen Unterricht, der von 10-13 Uhr abgehalten wurde, den Nachmittag auf der Liege in der Oktobersonne zu verbringen und den spontanen Sessions zu lauschen, die sich dann regelmäßig am Pool einfanden. Manche der Teilnehmer nutzten aber auch die Nachmittage zu gemeinsamen Ausflügen. Etwa zu dem berühmten Aquaedukt des Pont du Gard oder zu einer Weindegustation bei einer der unzähligen Domains der Region. Cote du Rhone, oh Deine Weine!
The music never stops
Meistens aber verbrachte man die Zeit mit gemeinsamem Musizieren in irgendeinem Teil des Hotels oder auf einer der zahlreichen Terrassen, die den Zimmern zur Verfügung standen (und von denen man einen sagenhaften Blick über das Ardéche-Tal oder die Weinberge der Cevennen-Ausläufer hatte). Von irgendwo her war jedenfalls immer ein Zirpen oder Geklimper von einer oder mehreren Gitarren zu hören. Am liebsten jedoch fand sich der Kurs am Abend zusammen, um die Tage mit einer gemeinsamen Session und einem Glas Wein zu beenden. Bei diesen Treffen liefen manche der Teilnehmer geradezu zu Hochform auf! Hans, Deine unanständigen Lieder, Jean-Pierre, Du Rhythmusmaschine! Uli Hoffmeier, an Dir ist ein Entertainer verlorengegangen! Armin, Denis, Rowland, Alberto, Thomas und all Ihr anderen: es war große Musik! Welch eine Freude Euch zuzuhören! Belgium, ten points!
No Amps Allowed
Gekrönt wurde die Woche durch das inzwischen traditionelle Konzert am letzten Kursabend. Aufgeführt wurde es in besagter Kirche von Aiguéze, die uns freundlicherweise von der Ortsverwaltung zur Verfügung gestellt wurde.
Motto des Abends war: „No Amps!“, ausgegeben von Bucky Pizzarelli. Er mußte ja noch die harte Schule des unverstärkten Gitarrenspiels der Vorkriegsjahre durchlaufen und hat deswegen ein großartiges Gefühl für die Schönheit des akustischen Tons einer Gitarre.
In dieser Tradition wurde das Konzert gespielt und es funktionierte wunderbar!
Alle Kursteilnehmer und die beiden Dozenten bestritten das Konzert, es befand sich eine 18-köpfige Gitarren-Big-Band auf der Bühne. Das Konzert wurde schon während der Kurstage vorbereitet. Bucky Pizzarelli erarbeitete mit den beiden Unterrichts-Gruppen Stücke, die dann vom gesamten Ensemble gemeinsam aufgeführt wurden, z.B. „Stomping at the Savoy“, „Snowfall“ oder „Nuages“, und es spielten kleinere Gruppierungen in Duo- oder Trio-Besetzung.
Die Kirche war zu unser aller Überraschung gerammelt voll. Organisiert wurde die Öffentlichkeitsarbeit von Hotelbesitzer Hervé Ventajol. Vielen Dank dafür an dieser Stelle an ihn! Das Publikum honorierte die Aufführungen mit frenetischem Beifall. Weil keine Heiligenstatuen von den Wänden fielen und die musikalischen Darbietungen von sehr hohem Niveau waren, wurde uns zugesagt, daß wir im nächsten Jahr und am selben Ort wieder mit den „Aiguéze Jazz Masters“ das Abschlußkonzert bestreiten dürfen.
Ausblick
Leider war damit dann auch der Jazzgitarrenkurs 2007 wieder zu Ende. Aber Gott sei Dank dauert es diesmal bis zum nächsten Mal in Südfrankreich kein ganzes Jahr, sondern nur elf Monate. Und wenn man genau sein will, waren es ja eigentlich noch mehr Nationalitäten, die den Kurs bildeten. Denn einer der beiden Teilnehmer aus Großbrittannien kommt aus Wales, lebt aber in Italien. Macht doch eigentlich „huit nations“, oder?