4. Internationaler Jazzgitarren-Kurs 2008 in Aiguéze, Südfrankreich mit Robin Nolan und Ulrich Hoffmeier
No regrets
Der 4. Internationale Jazzgitarrenkurs in Aiguèze/Südfrankreich, veranstaltet von Sonntag Gitarrenbau und Ulrich Hoffmeier (links), ist zu Ende, wieder einmal. Jedes mal am Ende der Kurswoche führt es zu großem Bedauern, daß die Zimmer geräumt und die Gitarren in den Koffern verstaut werden müssen. Nur die Abdrücke der Weingläser bleiben auf den Tischen zurück und verklungene Musik hängt in den Räumen.
Eine Silberscheibe mit Bildern, Video und Konzertaufnahme bleibt als Gedächtnisstütze, die die Erinnerungen an eine schöne Woche über das Jahr wachhält, und die Vorfreude auf den nächsten Kurs im Herbst 2009 steigert.
On the Sunny Side of the Street
Zum ersten mal seit der Workshop in Südfrankreich eingeführt wurde, war der Kurs ausgebucht und es mußte sogar eine kleine Zahl von Interessierten, die auf der Warteliste standen, zu Hause bleiben. Das bedauern die Veranstalter Uli Hoffmeier und Stefan Sonntag einerseits, andererseits bestätigt die wachsende Teilnehmerzahl das Konzept, Gitarrespielen und Urlaub in schöner Landschaft mit angenehmer Atmosphäre zu verbinden. Die äußeren Rahmenbedingungen waren hervorragend und dank der frühen Jahreszeit im September waren die Temperaturen ideal und der hoteleigene Pool wurde gerne für eine Abkühlung in Anspruch genommen.
Djangology
Die inhaltliche Ausrichtung des Kurses war durch die Verpflichtung von
Robin Nolan (oben) vorgegeben, auch wenn der Workshop '08 eigentlich ohne
Thema angekündigt war. Aber nachdem Robin sein Unterrichtsmaterial über die Musik Django Reinhardts dabei hatte und auch Uli in dieser Richtung vorbereitet war, war die Zielrichtung klar. Nicht zur Freude aller Teilnehmer, wie man ehrlicherweise zugeben muß. Einige der Gitarristen waren dem sogenannten „Gypsy-Jazz“ nicht so sehr gewogen, konnten aber davon überzeugt werden, dass viele Djangophrasen und -themen im Repertoire des Mainstream-Gitarrenjazz ihren festen Platz beanspruchen.
Einhellig war die Meinung, daß Django Reinhardts Melodien einzigartig sind und einen hohen Wiedererkennungswert haben. Die Kursleitung jedoch wird sich die Kritik dieser Teilnehmer zu Herzen nehmen und zukünftig das Thema des Workshops schon im Vorfeld klarer kommunizieren.
Naabfeld?
Nein, Naabfeld ist nicht der Name eines unbekannten Gitarristen oder eines Ortes in der Oberpfalz. Es sind die Initialen der Länder, aus denen alle Beteiligten am Kurs anreisten: Norwegen, Austria, Amerika, Belgien, Frankreich, England, Luxemburg und Deutschland.
Unser Workshop hat ja grundsätzlich eher hedonistischen Charakter, aber eine kleine politische Bemerkung zu diesem Thema sei mir als Mitorganisator an dieser Stelle erlaubt: Kann Völkerverständigung einfacher passieren als mit Musik? Es macht große Freude, festzustellen, daß die Sprache der Musik länderübergreifend funktioniert. Uli und ich als Veranstalterteam freuen uns sehr darüber, daß unter dem Schirm des Workshops Kulturen zusammentreffen, Meinungen ausgetauscht und Freundschaften über die Grenzen geschlossen werden.
Wir hatten am Anfang dieser Kursreihe 2005 noch Sorge, ob ein internationaler Kurs unter organisatorischen und verständigungstechnischen Gesichtspunkten betrachtet überhaupt funktionieren würde? Gottseidank wurden wir durch den positiven Verlauf der Workshops eines Besseren belehrt und wir würden auf die spannende Erfahrung, internationale Teilnehmer dabeizuhaben, nicht mehr verzichten wollen.
'Round Midnight
Viele der Teilnehmer sind schon ein- oder mehrmals dabei gewesen. Und es ist einfach toll zu beobachten, daß sich alle während der Jahre verbessern konnten. Wenn ein Stilmittel aus einem der vorhergegangenen Kurse plötzlich in einem Solo auftaucht, ruft es ein schönes Aha-Erlebnis bei den Zuhörern hervor (Armin, dürfen wir Dich Bucky nennen? Alberto, du hast den BeBop gemeistert!).
Genauso schön ist es, festzustellen, daß sich die Spielfreude der Teilnehmer von Kurs zu Kurs steigert. War die Atmosphäre bei den ersten Kursen noch zögerlich, gab es beim Kurs '08 Sessions den ganzen langen Tag. Vor allem angetrieben von Mr. Rhythm himself, Jean-Pierre aus Belgien, war aus allen Ecken im ehrwürdigen Hotel Le Castelas Musik zu hören. Wo Platz für einen Menschen und eine Gitarre war, saß mindestens ein Gitarrist und gab sich der Muse hin. Und gewöhnlich gingen die Sessions bis spät in die Nacht …
Mind the step
Ein großes Highlight war der Besuch von Helmut Nieberle in Aiguèze, vielen bekannt als der Leiter der beliebten Sonntag‘schen Oster-Workshops. Er verbrachte zufällig seinen Urlaub nicht weit von uns entfernt und ließ es sich nicht nehmen, uns seine Aufwartung zu machen.
Helmut ist auch ein Mensch, der mit Gitarre bequemer sitzt als ohne. Und so ergab sich nach dem Abendessen eine spontane Session mit Robin Nolan, die es in sich hatte aber auch deutlich die Unterschiede der beiden Gitarristen aufzeigte.
Sie spielten sich die Bälle, bzw. die musikalischen Ideen mit einer unglaublichen Intensität zu und man spürte eine Spielfreude, die Funken schlug. Dazu kam, daß beide Spieler mit akustischen Gitarren umzugehen wissen. Auch Helmut Nieberle bewegt sich musikalisch mit einem Bein im „Gypsy- Jazz“ und dort spielt man grundsätzlich auf akustischen Gitarren. Die gebannten Zuhörer bekamen auf diese Weise die Musik und die Spielenergie der beiden Musiker ungefiltert und authentisch geboten und diese Art des Musizierens ging uns Zuhörern direkt unter die Haut. Mit berechtigter Hoffnung dürfen wir uns darauf freuen, von diesem dynamischen Duo eines Tages mehr zu hören. Gerüchte besagen, daß schon ein Adressenaustausch zwischen Robin und Helmut stattgefunden hat …
Spiral Dance
Eine Premiere konnten wir dieses Jahr für das Rahmenprogramm anbieten. Einige der Kursteilnehmer reisen gerne mit ihren Partnerinnen an, die dann während der Unterrichtszeit auf ihre Liebsten verzichten müssen und sich üblicherweise mit Unternehmungen selbst beschäftigten. Daraus erwuchs die Idee, einen Yoga-Kurs anzubieten. Gesagt getan, Yoga und Jazz, in Aiguèze!
Dank guter Kontakte konnten wir die Yogalehrerin Anina von Molnar aus Augsburg für dieses Projekt gewinnen. Alle Teilnehmerinnen waren am Ende der Woche voll der Begeisterung über Aninas engagierte Yoga-Arbeit! Und auch die (männlichen) Gitarrenkursteilnehmer stimmten in diese Begeisterung ein, denn Anina bot zusätzlich auch die Behandlung der gitarrenspezifischen Haltungsprobleme in Form von Massagen an. Dieses Angebot wurde so gut angenommen, daß Aninas Freizeit zwar auf ein Minimum schrumpfte, aber alle Beteiligten waren‘s hochgradig zufrieden. Nun wird schon gemunkelt, daß mancher Gitarrenkursteilnehmer nächstes Jahr nur dann wieder kommen darf, wenn auch ein Yogakurs stattfindet …
All or Nothing at All
Der krönende Abschluß der Woche fand wie jedes Jahr in Form eines öffentlichen Konzertes unter Beteiligung aller Kursteilnehmer und der Dozenten Robin Nolan und Uli Hoffmeier statt. Auch dieses Mal wurde uns von der örtlichen Verwaltung die Kirche des Dorfes als Veranstaltungsort angeboten.
Es ist ein großartiger Anblick, 25 Gitarristen vor dem Altar in Breitbandoptik aufgestellt zu sehen! Und der akustische Effekt entspricht fast einem Dolby-Surround-Sound in einem Multiplex-Kino.
Das Programm gestaltete sich abwechslungsreich: Passend zum Kurs-Thema enthielt es einige Stücke aus Django Reinhardts Feder (Djangology, Minor Swing), aber auch den Nationalitäten der Teilnehmer wurde Tribut gezollt. So wurden unter anderem deutsche Stücke aus Djangos Zeit gespielt („Wenn der Weiße Flieder wieder blüht“), das Gastgeberland Frankreich wurde mit einem Sascha Distel-Stück gewürdigt („Ma Premiere Guitare“) und die weitest gereisten Teilnehmer aus Norwegen (drei an der Zahl) gaben ein verjazztes norwegisches Volkslied zum Besten („Danse Norvégienne“).
Die Kirche war auch dieses Jahr wieder bis auf den letzten Platz gefüllt. Hérvé Ventajol, der Hotelier des „Les Castelas“, hatte die Werbetrommel gerührt und es geschafft, den Aiguèze Jazz Masters eine würdige Kulisse zu bieten.
The Party's Over
Was bleibt zum Schluß? Uli und ich hoffen, daß der Groove bei den Teilnehmern anhält und wir im nächsten Jahr wieder eine swingende Woche im Süden Frankreichs verleben können.
Wo das Event stattfinden wird, ist zur Stunde noch offen. Denn wir haben ein Hotel südlich von Avignon entdeckt, das möglicherweise noch besser geeignet ist als das Le Castelas in Aiguèze. Sicher ist, daß die Kursausschreibung für 2009 ab Ende des Jahres auf www.sonntag-guitars.com im Netz stehen wird.
Bis dahin hoffen Uli und ich auf ein glückliches Wiedersehen und wie sagt Bruce Forman immer so schön: Keep Swinging!
Stefan Sonntag