5. Internationaler Workshop für
Jazzgitarre in der Provence
Mit dieser Nachlese zum fünften Internationalen Workshop mit Bruce Forman und Uli Hoffmeier laufe ich Gefahr, mich zu wiederholen. Also könnte ich jetzt hier abbrechen und den Lesern empfehlen, die Berichte über die Workshops der letzten Jahre zu lesen und sich dem Deja-vu-Erlebnis hinzugeben. Die Kurse wiederholen sich – aber zum Glück auf positive Weise. Und dabei entwickelt jede Workshop-Woche wieder eine ganz eigene Atmosphäre und Dynamik.
Das Besondere unseres Kurses in der Provence entsteht durch das Miteinander der Teilnehmer. Als Organisatoren schaffen wir eigentlich nur die Rahmenbedingungen – die eigentliche Stimmung im Kurs entsteht durch den zwang- und konkurrenzlosen Umgang der Teilnehmer untereinander. Natürlich hoffen wir, dass am Ende der Woche jeder zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht die Rückreise antritt. Und ich glaube, das scheint auch dieses mal wieder geglückt zu sein.
Provencalisches Flair
Das Feedback noch während unseres Aufenthalts in Maussane und die Reaktionen der Teilnehmer, die sich nach dem Ende des Kurses bei uns meldeten, waren wieder äußerst positiv. Hochzufrieden waren alle Teilnehmer mit dem Unterricht, glücklich mit der Unterkunft (sorry an die überbuchten Teilnehmer im Best Western Hotel) und entzückt über die Verpflegung. Der Ort Maussane-les-Alpilles und die Umgebung ließen keine Wünsche an landschaftliche Eindrücke oder französischem Flair offen.
Die Besetzung des Kurses ist ja jedes Jahr anders, und so weiß man nie, wie es ablaufen wird. Natürlich gibt es auch eine Konstante, denn ca. die Hälfte der Teilnehmer sind inzwischen mehrmalige Wiederholer, man kann schon fast sagen, Veteranen, die gerne immer wieder kommen. Das gibt am Anreisetag erstmal ein großes Hallo und sorgt dafür, daß sich erst gar kein Eis bilden kann, das gebrochen werden muß.
Musikalischer Ehrgeiz
Und trotzdem bleiben die Fragen: wie werden sich die neuen Teilnehmer fühlen, bleiben sie außen vor, geht man aufeinander zu, trauen sie sich, bei den Sessions einzusteigen? Glücklicherweise haben wir es auch dieses Jahr geschafft, die neuen Teilnehmer einzubinden. Spätestens wenn das Abschlußkonzert näherkommt entsteht eine Eigendynamik, der sich keiner entziehen kann. Man spürt, daß von der Gruppe eine anregende Nervosität ausgeht, die jeden, der beim Konzert etwas zum Besten geben will, zu kreativer Leistung animiert. Auch diejenigen, die „nur“ im Tutti-Ensemble mitspielen, werden davon erfasst. Man merkt das unter anderem auch daran, daß bei den abendlichen Sessions plötzlich Leute verschwinden oder fehlen, die sich zum Üben ins Separeé zurückgezogen haben.
Jedenfalls schweißt diese gemeinsame Aktion, die Aufregung des Live-Erlebnisses auf der Bühne, die Gruppe zusammen. Man steht vor dem Publikum, jetzt zählt der Moment, jeder will sein Bestes geben und alles richtig machen. Die Zuhörer sind gespannt, was bietet uns dieser Haufen von Zugereisten, die da ins Dorf einfallen? Müssen wir den Auftrittsort, die Kirche, wieder weihen lassen? Mitnichten, und hinterher, wenn alles glücklich gelaufen ist, wenn die Anspannung abgefallen ist, klopft man sich auf die Schulter und die Augen leuchten und man kann ein einzigartiges Erlebnis mit nach Hause nehmen.
Jazz goes to church – again
Das Konzert ist, neben dem täglichen Unterricht und den ständigen Sessions, also ein weiterer musikalischer Kernpunkt der Workshop-Woche. Es hatte leider nicht geklappt, einen Saal in Maussane zu bekommen, die Mairie des Ortes war nicht sehr kooperativ. Aber hier sprang wieder unser guter Geist Gilles Ribeaudeau ein und organisierte kurzerhand die Kirche in seinem Wohnort Boulbon, eine halbe Autostunde vom Hotel. Für uns keine ungewöhnliche Situation denn die Auftritte der vorigen Jahre fanden ja in der Kirche von Aiguèze statt.
Das Programm des Konzerts war vielfältig. Es wurden 15 Stücke aufgeführt, die meisten in Duo- oder Trio-Besetzung. Vom Blues in verschiedenen Variationen über Latin und Musette-Waltzer bis zu Gastauftritten von zwei Sängerinnen, den bezaubernden Damen Christine Gutknecht aus Montpellier und Bruce’ Frau Pamela. Die beiden Dozenten boten zwei mitreissende Musettewalzer und Bruce glänzte zusätzlich mit einer Soloeinlage und einem Duo mit seiner Frau Pamela.
The Blues walks into the closet?
Sehr beeindruckend sind immer wieder die Tutti-Stücke, wenn über zwanzig Gitarristen einen Auftrittsort zum Klingen bringen, „Blues in the Closet“ und „Blues Walk“. Das letztere wurde mit Elementen vorgetragen, die während des Unterrichts von Bruce und Uli erarbeitet wurden und so das Gefühl gaben, eine neue Komposition geschaffen zu haben. Eine beeindruckende Klangwand entsteht, wenn so viele Gitarren gleichzeitig erklingen, zart und doch raumfüllend. Ein schönes Beispiel dafür, daß die akustische Gitarre eine wunderbare Wirkung entfalten kann und auch ohne Verstärkung funktioniert (man verzeihe mir diese Bemerkung, die ich in meiner Eigenschaft als Gitarrenbauer hier anbringen muß).
An dieser Stelle muß leider das einzige nicht so erfreuliche Ereignis des Kurses erwähnt werden. Ein Teilnehmer hatte sich für das Konzert mit gleich drei Stücken eingetragen und wollte sich von Band-in-a-Box begleiten lassen. Für uns (Kursleitung und Dozenten) eine nicht akzeptable Situation. Ein Playback-Auftritt auf einem Konzert bei dem 20 andere Gitarristen spielen wollen und können war für uns nicht hinzunehmen. Deshalb wurde diesem Teilnehmer nahegelegt, auf das Computerprogramm zu verzichten und statt dessen mit anderen Teilnehmern zu spielen oder eine Solodarbietung ohne Begleitung aus der Maschine zu wählen. Das hatte er aber abgelehnt und dann leider ganz auf seine Teilnahme beim Auftritt verzichtet.
Unterricht
Es fehlt noch, ein paar Worte zum ersten musikalischen Kernpunkt des Workshops zu verlieren, den Gitarrenlektionen. Wie üblich wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei dieses Jahr Uli Hoffmeier versuchte, die Gitarristen (soweit er sie kannte und einschätzen konnte) nach Spielvermögen einzuteilen. Das dürfte auch für die nächsten Kurse eine durchaus sinnvolle Idee sein, denn so bleiben die Gruppen, was das Können an der Gitarre betrifft, homogener und der Lerneffekt ist größer. Dem Kurs wurde auch wieder ein Thema vorangestellt: Der Blues. Die Idee war, die Unterrichtsinhalte zu bündeln so daß die Teilnehmer diesen Schwerpunkt aus der jeweiligen Sicht des Dozenten erklärt bekommen.
Bruce Forman hielt seinen Unterricht spontan und überwiegend ohne Unterlagen. Hie und da band er ein Flip-Chart mit ein, das es den Teilnehmern leichter machte seinen Ausflügen in die erweiterte Harmonik des Blues zu folgen.
Bruces Lektionen waren teilweise schon philosphischer Natur, aber trotzdem praxisnah: Sein Ansatz: Musik ist Kommunikation. Damit verbindet er Hören, vor allem Zuhören und sich zurücknehmen um auf den Mitmusiker reagieren zu können. Diese Herangehensweise wurde von Bruce während seiner Lektionen mit Anekdoten aus seiner langen Musikerkarriere gewürzt und mit musikalischen Beispielen belegt. Und er legte viel Wert darauf, daß die Teilnehmer auch genug Zeit zum Spielen und Ausprobieren seiner Ideen und Vorschläge hatten.
Uli Hoffmeier kümmerte sich in seinem Unterricht um den praxisnahen Unterbau der für Einsteiger und Fortgeschrittene gleichermaßen nützlich ist. Locker und humorvoll vermittelte er Grundbausteine und Elemente des Blues, die in einem sehr umfangreichen Heft gebündelt waren. Licks und Riffs, Begleitvarianten und komplette Stücke wurden erklärt, über die und mit denen dann improvisiert wurde. Ulis flotte Berliner Art ließ keine Langeweile aufkommen und auch in seinem Unterricht gab er den Teilnehmern viel Gelegenheit, das Gelernte gleich in der Praxis auszuprobieren.
Hotel
Unser neues Domizil, das Hotel Val Baussenc in Maussane, am Fuße der Alpillen und mitten im touristischen Kerngebiet der Provence, hat sich als Glücksfall entpuppt.
Es hat eine äußerst charmante Atmosphäre, exakt die richtige Größe für unsere Gruppe und der Hotelier hatte uns zum Ende der Woche in sein Herz geschlossen. Er war voll des Lobes über unsere, nach seinen Worten angenehme und pflegeleichte Truppe. Kein Wunder, denn eine Reisegruppe aus der keine Klagen kommen, sieht jeder Hotelchef gerne. Und es gab auch wirklich nichts zu meckern. Das Essen war lecker und das Personal aufmerksam, die Zimmer gemütlich und das Ambiente très agreable.
Die Senkung der Gesamtkosten für Einzelpersonen um mehr als 25% gegenüber den letzten zwei Jahren hat sich also nicht negativ auf die Qualität der Beherbergung oder des Essens ausgewirkt.
Der einzige Schönheitsfehler des Hotels war ein fehlender zweiter Seminarraum. Eine Unterrichtsgruppe mußte sich in der Lobby verteilen, aber auch das ging leidlich gut. Der Kurs ist nächstes Jahr etwas früher im Oktober und vielleicht kann man dann die Terrasse für den Unterricht nützen. Der Hotelier jedenfalls war am Ende so von uns angetan, daß er versprach, das Abschluß-Konzert nach Maussane zu holen. Nachdem er uns an den Abenden fleißig Sessions spielen und von unserem erfolgreichen Auftritt in Boulbon gehört hatte, war es für ihn unverständlich, daß die Stadtverwaltung von Maussane sich dieses Ereignis hat entgehen lassen. Wir hoffen natürlich, daß er als Einheimischer die harten Herzen der örtlichen Beamten eher erweichen kann, als wir es vermochten.
Ausklang
Nachdem die Teilnehmer das Hotel geräumt hatten, stellte die Concierge ganz traurig fest, daß es nun viel zu ruhig ist und sie unsere fidelen Musiker am Abend in der Lobby vermissen wird. Ich meine, schöner kann man vom Val Baussenc doch nicht verabschiedet werden? Und so wie der 5. Internationale Workshop 2009 von Sonntag Gitarrenbau und Uli Hoffmeier gelaufen ist, ist es doch gar nicht so schlecht, wenn sich schöne Ereignisse wiederholen.
À la prochaine à Maussanne, keep swinging!
Stefan