Zurück zu den Wurzeln:
6. Internationaler Workshop für
Jazzgitarre in der Provence
Wer hat‘s erfunden? Nein diesmal war es nicht die einschlägig bekannte Drops-Firma aus der Schweiz. Vielmehr waren es drei Gitarristen auf die man die Ursprünge der Jazzgitarre zurückführen kann: Eddie Lang, Freddie Green und Charlie Christian waren die drei Heroen der Jazzgitarre, die den Weg bereiteten für alles, was danach kam. Seien es Wes Montgomery, Grant Green, Joe Pass, Jim Hall, Bucky Pizzarelli, Pat Metheny, nenne wen du willst, ohne die drei ist das Jazzgitarren-Spiel bis zum heutigen Tage wohl nicht denkbar.
Deswegen war es folgerichtig, den 7. Internationalen Workshop für Jazzgitarre in der Provence einmal unter das Thema „Fundamentals of Jazz Guitar: Eddie Lang – Freddie Green – Charlie Christian“ zu stellen. Ein kluge Idee von Uli Hoffmeier. Denn um das aktuelle und vergangane Geschehen im Jazz zu verstehen schadet es bestimmt nicht, die Grundlagen zu kennen, auf denen alles aufbaut.
Mit Howard Alden undUli Hoffmeier hatten wir zwei Dozenten für den Kurs, die durch ihre Arbeit bestens für das Thema „Fundamentals“ geeignet sind. Uli Hoffmeier, durch seine Tätigkeit im Palastorchester Spezialist für Musik der Vorkriegszeit, und Howard Alden kennt nicht erst seit seiner Arbeit an Woody Allens Film „Sweet and Lowdown“ die alten Meister.
Am Beispiel von Stücken wie „April Kisses“ (Eddie Lang solo), „Seven Come Eleven“ (Charlie Christian bei Benny Goodman) oder „A Smooth One“ vermittelten Howard (rechts) und Uli (links) die typischen Spielarten von Lang/Green/Christian. Im Lauf der Kurswoche, nach 15 Stunden Unterricht, war dann klar, was die Qualität dieser Spieler ausmacht: einprägsame Themen, klare, griffige Soli und prägnante und wirkungsvolle Begleitungen.
Theorie und Praxis
Jeder auf seine Art präsentierten die Dozenten den Unterrichtsstoff. Uli mit detailliert ausgearbeitetem Material, nahm speziell die schwächeren Spieler an die Hand. Howard präsentierte mit großem Schwung einen Überblick über das Thema, gab praktische Tips für diverse Bühnensituationen und ging anhand von Teilnehmerfragen in die Details. Es blieb aber nicht bei der Theorie. Im Gegensatz zu manch anderem Workshop ließen sie während des Unterrichts viel spielen, so daß die neu gelernten Stücke gleich in der Praxis ausprobiert werden konnten.
Und auch im Konzert am Ende der Kurswoche wurde natürlich die Musik von Lang/Green/Christian präsentiert. Aber wir wollen hier nicht den Ereignissen vorausgreifen, denn es fanden zwei Programmpunkte statt, die unbedingt der Erwähnung bedürfen.
Man mag sich fragen, nach sieben mal Jazzgitarre in der Provence, wird das nicht zur Routine? Das selbe Hotel, immer nur Gitarrengeklimper, viele Teilnehmer, die zum wiederholten Male kommen, sich schon kennen? Das könnte so sein, aber Uli Hoffmeier hat mit einem genialen Kniff der Routine ein Schnippchen geschlagen. Erstens führte er schon 2010 ein Animationsprogramm während der Abendmahlzeiten ein, bei dem jeder Tisch eine Einlage in irgendeiner künstlerischen Form zum Besten geben durfte. Und zweitens stellte er dieses Jahr eine kleine Gesangsanlage mit Mikrofon auf um diese Tradition wiederzubeleben. Er hat es bestimmt nicht geahnt oder erwartet was dann geschah. Denn durch das Mikrofon entstand eine Mini-Bühnensitutation und plötzlich brachen alle Dämme und die Teilnehmer standen beinahe Schlange um zwischen den Gängen den Kurs mit Musik und Gesang zu unterhalten.
Musik in ihrer ursprünglichsten Form
Das Repertoire reichte von deutscher Mundart und Liedermachern über US-Folk und Rock‘n Roll zu Jazz. Wer hätte das gedacht? So sollte Musik passieren, in ihrer ursprünglichsten Idee: Spontan entstanden zur Erbauung der Zuhörer, ohne Verkopfung und Scheu vor dem Publikum, mit Spaß ein Lied zu spielen ohne glauben zu müssen daß eine technische Höchstleistung auf der Gitarre präsentiert werden muß. Es war großartig (Hat schon mal jemand Howard Alden mit „This Land Is Your Land“ gehört? Wir kamen in den Genuß …).
Der Drang auf die Bühne war teilweise so stark, daß die Küche daran gehindert wurde, die Gänge aufzutragen. Und dieser Geist wehte fortan durch den ganzen Kurs. Die Stimmung war locker, die Sessions spontan und witzig. Es wurde gejammt mit allem, was Bünde oder auch keine hatte. Ukulele, Banjo, Geige, Kontrabass, das alles fand sich neben den zahllosen Gitarren in den Händen der Teilnehmer bis spät in die Nacht oder auch schon früh am Nachmittag.
It's the singer not the song
Der zweite Programmpunkt hatte nun unbeabsichtigt direkten Einfluß auf diesen spontanen Kreativitätsausbruch. Howard Aldens Begleiterin Jeanne Gies, die er aus New York mitbrachte, ist Jazz-Sängerin. Ihr wurde im Vorfeld angeboten, Gesangsstunden als Begleitprogramm für die Partner der Kursteilnehmer zu geben. Die Idee war ursprünglich, den Partnern während der Unterrichtsstunden einen kreativen Zeitvertreib anzubieten.
Und wiederum passierte etwas Unerwartetes: Es nahmen mehr Teilnehmer vom Workshop Gesangsstunden als Begleiter. Überraschenderweise offenbarten einige der Gitarristen, daß sie sich mehr oder weniger heimlich mit dem natürlichsten aller Instrumente beschäftigen, der Stimme. Jeanne Gies hatte eine sehr sympatische und herzliche Art, den Sängern die Hemmungen zu nehmen und ihre Stärken zu fördern. Genau das trug dazu bei, daß sich die Gitarristen auf der Open Stage beim Abendessen nicht nur an der Gitarre, sondern auch als Sänger präsentierten. Das wurde vom Publikum mit lautem Beifall und Begeisterung goutiert und rührte manchen der Zuhörer zu Tränen.
Familienzuwachs
Wie schon erwähnt hat unser Provence Workshop inzwischen fast den Charakter eines Familientreffens. Es gibt Teilnehmer die alle sieben Kurse mitgemacht haben, einige sind schon ein paar mal dabei gewesen, aber zum guten Glück bleiben auch noch Plätze für neue Gesichter. Diese Jahr schien es so, als ob keiner der neuen Teilnehmer Grund zum fremdeln hatte. Hatten wir Glück mit den Leuten oder war die Atmosphäre gleich von Beginn an so daß jeder sofort entspannt war? Warscheinlich beides. Die Neuen brachten sich sofort ein und wurden von den „Veteranen“ auch sofort mitgenommen.
Danke an dieser Stelle an Jean-Michel Bertet, der vom Weingut seiner Frau zahlreiche Flaschen mitgebracht hatte und sie für eine Weinprobe zur Verfügung stellte. Und natürlich auch verkaufen wollte, was ihm restlos gelungen ist.
Der Kurs endet traditionell mit einem öffentlichen Konzert am Abend des letzten Kurstages. Leider steht in Maussane nur ein kleine Halle zur Verfügung, die – um es höflich zu sagen – nicht mit Dekoration überladen ist. Aber was soll‘s, wir sind froh einen Ort zu haben wo ein Konzert gespielt werden kann. Denn es geht darum, den Teilnehmern zum Abschluß der Woche den Auftritt in der Gemeindehalle als kleinen Höhepunkt zu bieten.
Geduldig und konzentriert sitzen die Teilnehmer in den Unterrichtsstunden, arbeiten sich duch die Fülle der Informationen, die auf sie niedergehen, aber schließlich und endlich will man auf der Bühne stehen und die Musik klingen lassen. Die meisten der Teilnehmer spielen in Bands, aber der eine oder andere hat möglicherweise nicht soviel Gelegenheit, live aufzutreten. Und so bietet sich denen auch die Chance, den Nervenkitzel eines Liveauftritts zu erleben.
Bretter, die die Welt bedeuten
25 Gitarristen auf der Bühne sind ein seltener Anblick aber jedesmal wieder ein Erlebnis. Optisch wie akustisch. Es spielt natürlich nicht das gesamte Ensemble dauernd. Es werden der Anfang und das Ende des Konzerts im Tutti gespielt, und dazwischen konnte man die Teilnehmer in Duo bis Quartett-Besetzung mit Stücken der unterschiedlichsten Stilrichtungen hören (Setliste im Bild).
Den Dozenten stand natürlich Extra-Spielzeit zur Verfügung. Besonders spannend war Eddie Lang‘s „Feelin' My Way“, im Duett spontan und ungeprobt gespielt von Uli Hoffmeier und Howard Alden. Anschließend präsentierte Howard zwei Solo-Stücke, „I‘m Forever Blowing Bubbles“ aus dem „Sweet And Lowdown“-Soundtrack und eine Interpretation von Django Reinhardts „Tears“. Als Begleiter brillierte er in zwei von Jeanne Gies gesungenen Standards. So kann Gitarre als Solo-, bzw. Begleitinstrument klingen, eine beeindruckende Vorführung!
Gruppenbild mit Damen
Dank des Engagements meines Webmasters Dietmar Liehr steht ein Tondokument des Auftritts der Maussane Masterclass 2011 als Souvenir für die Teilnehmer zur Verfügung. Vielen Dank an dieser Stelle auch an Dietmar Liehr!
Was gibt es noch an Bemerkenswertem? Das Hotel war, wie die Jahre zuvor, hingebungsvoll bemüht, uns zufriedenzustellen. Sei es mit charmantem Service, sei es durch die leckeren Mahlzeiten, mit der schönen Atmosphäre des Hauses oder mit Unterstützung bei kleinen Sonderwünschen.
Ausblick
Wir werden nächstes Jahr gerne wieder kommen und wir wissen auch schon wann: Der 8. Internationalen Workshop für Jazzgitarre wird vom 29.9- 3.10.2012 wieder in Maussane Les Alpilles im schönen Hotel Val Baussenc stattfinden.
Bis dahin wünsche ich allen Teilnehmern und Beteiligten des 7. Internationalen Workshops für Jazzgitarre in der Provence viel Spaß beim Jazzen und Swingen mit den „Fundamentals of Jazzguitar“ und bedanke mich bei Howard Alden und Uli Hoffmeier für ihr Engagement und ihren Einsatz, diese Truppe von spielwütigen Gitarristen mit neuen Ideen und Inspirationen zu füttern.
Stefan Sonntag